Nachhaltige Urbane Mobilität entwickelt sich zunehmend zu einem der virulentesten Themen in der Stadt- und Quartiersentwicklung. Denn der seit Jahren andauernde Sog in die Ballungszentren stellt die betroffenen Kommunen vor große Probleme. Das noch immer ungebremste Bevölkerungswachstum erfordert strukturelle Maßnahmen vor allem in Bezug auf die Bereitstellung von Wohnraum unterschiedlichster Güte. Und mit jedem Neubürger verschärft sich auch die Verkehrsbelastung mit neuen Ziel- und Quellverkehren. Die ohnehin schon unter überbordender Verkehrsbelastung ächzende Infrastruktur der Straßen- und Wegenetze wird noch weiter strapaziert.

Zwar kündigt sich vielerorts eine Trendumkehr an und auch die Politk versucht zunehmend, dem Problem durch Maßnahmen der Attraktivierung ländlicher Räume und Regionen zu begegnen. Für die meisten Oberzentren und Metropolen gilt jedoch auch für die kommenden Jahre, geeignete Flächen für Wohn- und auch Parkraum bereit stellen zu müssen.

Viele Kommunen greifen auf Nachverdichtungen und vorhandene Konversionsflächen zurück oder erschließen neue Flächen an den Rändern der Stadt. Auch die Speckgürtel attraktiver Standorte wachsen dabei mit. Und mit dem Bevölkerungswachstum wächst auch der Bedarf an verkehrlicher Infrastruktur, die zusätzliche Ziel- und Quellverkehre aufnehmen muss.

Die Verkehrsinfrastruktur muss „mitwachsen“?

Allein die Identifizierung und Erschließung geeigneter Flächen ist dabei häufig bereits eine Herausforderung. Eine oft viel kniffligere Herausforderung besteht in der Folge im Ausbau der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur und der ÖPNV-Angebote für neue Quartiere. Denn obwohl die Straßen- und Wegenetze ohnehin unter den Automassen des Individualverkehrs ächzen und auch die ÖPNV-Angebote vielerorts noch viele Wünsche offen lassen, muss das zusätzliche Verkehrsaufkommen irgendwie aufgenommen werden.

Folgt man hier den üblichen Handlungsmustern, wird zunächst sowohl an Investitionen in den Straßen- und Wegebau, als auch in attraktivere ÖPNV-Angebote gedacht. Dem liegt ein gedanklich offenbar zementierter Automatismus zugrunde, dass die öffentliche Infrastruktur in der Stadt zwangsläufig mitwachsen muss. Die entstehenden Kosten hierfür werden schließlich sozialisiert, belasten die städtischen Haushalt und engen schließlich die Handlungsspielräume der Kommune in anderen wichtigen Handlungsfeldern ein.

Das Gebot der Stunde besteht in einem anderen Ansatz, nämlich in der Fragestellung, wie es etwa mit Hilfe intelligenter Sharing-Economy-Ansätze gelingen kann, den MIV im Stadtgebiet insgesamt zu reduzieren. Gefragt sind attraktive multi- und intermodale Mobilitätsangebote mit Fahrzeugflotten, die emissionsfrei betrieben werden.

Ruhender Verkehr als Flächenfresser und Kostentreiber

Jede zusätzliche Wohnung bedeutet im Regelfall noch immer mindestens ein zusätzliches Fahrzeug, das mit den Neubürgern in die Stadt zieht. Und das bedeutet nicht nur zusätzlichen Verkehr, sondern auch zusätzlichen Flächenverbrauch mit öden Parkflächen, die nicht für weiteren Wohnraum oder attraktive öffentliche Nutzungen zur Verfügung stehen. Auch Tiefgaragen sind keine optimale Lösung. Zwar werden die notwendigen Parkflächen hier weniger flächenrelevant bereit gestellt. Die ungleich höheren Baukosten im Vergleich zur Freifläche treiben jedoch den späteren Verkaufspreis oder Mietzins weiter in die Höhe.

Urbane Mobilität der Zukunft – Emissionen müssen reduziert werden

Die Folge ist an vielen Standorten ein beinahe täglich zu erlebender Verkehrsinfarkt. Urbane Mobilität der Gegenwart bedeutet vor allen Dingen Staus und Automassen, die sich durch Straßen und Wege hindurch quälen. Das allerdings ist nicht nur lästig und volkswirtschaftlich betrachtet teuer, sondern verursacht auch Lärm- und Schadstoffemissionen, die vielerorts EU-Grenzwerte überschreiten. Gesundheitliche Risken sind folglich nicht auszuschließen und belasten die Lebensqaulität der Menschen in den Städten.

Nachhaltige urbane Mobilität – neue Mobilitätskonzepte müssen her

Die Problemstellungen der Kommunen sind nicht neu. Seit Jahrzehnten ist die Diskussion um Verkehrsbelastungen etwa der Innenstädte in der Stadtentwicklung virulent. Allerdings spielte der Umweltgedanke hierbei zurückliegend eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr kreiste die häufig dogmatisch geführte Diskussion eher um die Frage, inwieweit die bedingungslose Öffnung der Städte für den motorisierten Individualverkehr eine Grundbedingung für eine positive Wirtschafts- und Handelsentwicklung darstellt, auch wenn die Kapazitätsgrenzen ironischerweise hierfür längst überschritten sind. Auch ist für viele Kommunen seit Jahren klar, dass verbindliche EU-Emissionsschutz-Richtlinien innerhalb der vorgesehenen Fristen nicht einzuhalten sind. Der diesbezügliche Tatendrang der Politik allerdings hielt sich in engen Grenzen wie auch die öffentliche Diskussion hierüber.

Für das Auto, so schien es, waren Politik und Gesellschaft stets zu Zugeständnissen bereit. Zu hoch ist der Stellenwert des Autos an sich scheinbar für die Menschen. Zu hoch ist die Bedeutung der Automobilindustrie für den Industriestandort Deutschland generell und die gesamte Volkswirtschaft, was auch die Politik offenbar dazu veranlasste, nicht so genau hinzusehen.

Erst der Dieselskandal offenbarte diese Legitimationskrise der Politik und sorgte für breite öffentliche Diskussionen. Die Forderung nach Fahrverboten in besonders belasteten Zonen kam einem Tabubruch gleich, den Millionen von Diesel-Fahrern, Politik und Industrie gleichermaßen fürchten.

Wirklich konstruktiv ist diese Diskussion dabei nicht. Denn die Mobilität der Zukunft kreist weniger um die Frage des Antriebs, sondern vielmehr um Fragen der Multimodalität und der Intermodalität, der Verfügbarkeit und der Attraktivität zukünftiger Mobilitätsangebote. Und es geht darum, den Menschen diese neuen Formen der Mobilität nahe zu bringen und sie davon zu überzeugen, diese generalisiert zu nutzen.

Achim Hinder

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